„Früher
waren es viele, jedoch heute gibt es auf der ganzen Welt
nur noch
acht von ihnen“, sagte Irmgard, die Großmutter von
Michael, mit
leiser Stimme. Irmgard saß in ihrem Schaukelstuhl
und die
Kinder im Halbkreis um sie herum. Alle lauschten
gespannt der
Geschichte, während draußen der Schnee in
dicken
Flocken fiel und das Feuer im Kamin eine wohlige Wärme
in den Raum
brachte. Michael kannte die Geschichte schon
seitdem er
ein kleiner Junge war. Die Geschichte der funkelnden
Paillettenfledermäuse
- doch er hörte sie immer wieder gern.
„Die
Menschen fingen an sie zu jagen, als sie merkten, dass
sich Wünsche
erfüllen, wenn man sie fängt. Aber damit sich der
Wunsch
erfüllt, muss man sie töten, denn der Glitzerstaub einer Fledermaus
reicht für einen Wunsch“, fuhr die Großmutter mit leiser
Stimme fort. Annika, die kleinste Schwester von Michael, schrie
entsetzt auf: „Warum machen Menschen so was? Man kann doch
nicht einfach eine Fledermaus töten.“ Irmgard sah Annika lange
an. „Weißt du, meine Kleine, manche Menschen waren von
dem Wunsch nach Reichtum, Schönheit und Glück so
besessen,
dass sie nicht darüber nachdachten, welche
Grausamkeiten
sie taten. Andere taten es jedoch aus purer
Verzweiflung,
weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wussten.
Die
Großmutter schwieg einen Augenblick und bevor sie fortfuhr
trafen ihre
Augen die von Michael und er wusste, dass sie beide
in diesem
Moment dasselbe dachten. Michael schauderte es.
Wenn er eine
von den funkelnden Paillettenfledermäusen
fangen
würde, dann würde er sie auch töten, nur für seinen
größten
Wunsch. Den Wunsch, dass seine Mutter wieder gesund
werden
würde.
Die Mutter
von Michael lag seit Wochen in ersten Stock in ihrem
Bett und ihr
ging es jeden Tag schlechter. Es gab keinen Saft,
oder keine
Tabletten, die ihren Zustand verbesserten und jeder
Arzt, der
ins Haus kam, verließ es kopfschüttelnd und mit
traurigen
Augen. Es gab keine Hoffnung und so sehr Irmgard,
Michael und
seine anderen drei Geschwister auch beteten und
wünschten,
wusste jeder, dass das Ende nahte. Michael war mit
seinen 15
Jahren der älteste der vier Kinder und seitdem sein
Vater vor
fünf Jahren gestorben war, hatte er größtenteils
dessen Rolle
übernommen. Er kümmerte sich tagsüber um
alles, half
seiner Mutter und der Großmutter, sorgte für seine
Geschwister
und das Haus. Seitdem seine Mutter krank
geworden
war, saß er nachts an ihrem Bett, hielt ihre Hand und
erzählte ihr
leise Geschichten von fremden Ländern und
Abenteurern,
weil er wusste, dass sie solche Geschichten liebte,
genau wie
er. Manchmal lächelte sie, aber viel öfter sah sie ihn
an und
konnte die Tränen nicht zurückhalten. Sie weinte vor
Angst. Nicht
einmal aus Angst vor ihrem eigenen Tod, sondern
vor der
Angst ihre Kinder, die sie so sehr liebte, verlassen zu
müssen. Und
auch wegen ihrer Schmerzen und weil sie nichts
dagegen tun
konnte. „Mach dir keine Sorgen, Mama. Wir
schaffen das
schon“, sagte er dann immer leise und musste,
während er
das sagte, aufpassen, dass seine Stimme nicht
brach und
sie seine Trauer hörte. Denn beide wussten, dass er
log.
Heute Abend
war es besonders schlimm, denn morgen war
Weihnachten
und Michael wollte sich gar nicht ausmalen, wir
traurig das
Fest dieses Jahr werden würde, welches sonst der
schönste Tag
im Jahr für sie alle war. Normalerweise ging er früh
morgens mit
seinen Geschwistern in den Wald, um einen Baum
zu schlagen.
Sie zogen ihn dann alles zusammen unter lautem
Lachen nach
Hause, wo seine Mutter mit der Großmutter und
den Kindern
dann heißen Kakao machte. Danach schmückten
alle
zusammen den Baum und sie sangen Weihnachtslieder.
Seine Mutter
hatte eine wunderschöne Stimme und tanzte
während des
Singens um den Baum. Irgendwann tanzten und
sangen alle
und Arnd, sein jüngerer Bruder spiele dazu auf der
Flöte. Sie
aßen und redeten miteinander, erzählten sich die
Weihnachtsgeschichte
und vergaßen an diesem Tag alle Sorgen.
So war es
normalerweise. Morgen würde es anders sein.
Als Michael
sah, dass seine Mutter eingeschlafen war, verließ er
leise das
Zimmer, zog sich seine dicke Jacke an, setzte seine
Mütze auf
und schlang sich seinen Schal um den Hals. Er
stapfte
durch den hohen Schnee um das Haus herum. Es hatte
aufgehört zu
schneien und der kalte Wind blies ihm ins Gesicht.
Michael aber
bemerkte es kaum. Seine Trauer und seine
Hilflosigkeit
betäubten ihn. Er fühlte sich wie hinter einer
durchsichtigen
Wand und setzte sich auf die Bank hinter dem
Haus. Er
sah, wie klar die Sterne leuchteten und er versuchte
sie zu
zählen, um sich von seiner Trauer abzulenken. Michael
saß oft
hier, gerade abends, wenn die anderen schliefen. Er
brauchte
diese Momente, um sich zu sammeln und Kraft zu
schöpfen,
damit er vor seiner Mutter, Irmgard und vor seinen
Geschwistern
stark sein konnte. Hier konnte er weinen. Hier
konnte er
seinen Gefühlen freien Lauf lassen und wenn seine
Tränen
versiegt waren, dann ließ auch das betäubende Gefühl
wieder nach.
So saß Michael da und weinte wie jeden Abend.
Sein Körper
bebte und er schluchzte in seinen Schal. Michael
vergrub sein
Gesicht in seine behandschuhten Hände, bis er
plötzlich
das Gefühl hatte nicht mehr alleine zu sein. Es
schauderte
ihn und er blickte hoch. Keiner war zu sehen. Er
schaute nach
rechts und nach links, aber er konnte keinen
anderen
Menschen ausmachen. Dann wanderte sein Blick
neben ihn
auf die Bank. Er traute seinen Augen kaum, aber dort
auf der
linken Seite, direkt neben ihm, saß sie und schaute ihn
an. „Das
kann doch nicht wahr sein“, dachte Michael, „Das
träume ich
nur.“ Aber auch nachdem er sich die Augen zum
fünften Mal
gerieben hatte, saß sie noch immer dort. Er war sich
sicher. Es
war eine funkelnde Paillettenfledermaus. Sie war etwa
so groß wie
seine Handfläche und anstatt des brauen Fells, das
normale
Fledermäuse am Körper tragen, war sie über und über mit funkelnden
paillettenartigen Schuppen bezogen. Sie
leuchteten
in Gold und Silber und sie selbst schien von innen zu leuchten.
Michael hatte nie zuvor etwas Schöneres gesehen. Er starrte nur
auf sie hinab und war wie gelähmt. Sein größter Wunsch wurde
ihm erfüllt. Er konnte seine Mutter retten. Er erwachte aus
seiner ersten Verwunderung und griff zu. Er hielt sie ganz
fest in beiden Händen, denn sie durfte ihm nicht entwischen.
Michael rannte ins Haus, das inzwischen dunkel war. Die
Großmutter hatte ihm nur im Treppenhaus eine einzelne
Kerze brennen gelassen. Er nahm die Fledermaus nun fest in die
rechte Hand, die Kerze in die linke und ging so schnell es
ging die Treppe nach oben in sein Zimmer. Dort angekommen
verriegelte er das Fenster und die Tür, so dass die Fledermaus
keine Gelegenheit haben würde, ihm zu entwischen und stellte
die Kerze auf dem Schreibtisch ab. Dann setzte er sich auf
sein Bett und hielt die Paillettenfledermaus vor sein Gesicht.
Diese hatte ihren Gesichtsausdruck, seitdem er sie vor
dem Haus das
erste Mal sah, nicht verändert. Sie beobachtete
ihn mit
großen, weisen Augen und machte keine Anstalten sich
aus Michaels
festem Handgriff zu befreien. „Wie willst du es
machen?“,
hörte Michael plötzlich eine Stimme. Er erschrak und
guckte sich
im Zimmer um. „Hier ist keiner außer dir und mir,“
hörte er die
Stimme erneut. Er sah die Fledermaus irritiert an.
„Sprichst du
mit mir?“, fragte er staunend. „Aber natürlich
spreche ich
mit dir, Michael. Du bist der, der mich töten wird,
deswegen wüsste
ich gerne, wie du es machen willst.“ Michael
setzte die
Fledermaus erschrocken auf dem Bett ab und wich
ein Stück
zurück. Sie streckte ihre Flügel, und erhob sich in die
Luft. Die
Fledermaus drehte eine Runde im Zimmer und
während sie
durch die Luft gleitete, schien es, als zöge sie einen Schweif aus
feinem Glitzerstaub hinter sich her, der funkelnd zu Boden fiel.
Sie landete auf dem großen Holzschrank gegenüber von Michaels
Bett und blickte auf ihn hinunter. Michaels Gedanken
rasten. „Ich habe darüber nicht nachgedacht“, antwortete
er leise. Das stimmte, Michael hatte sich zwar nichts sehnlicher
gewünscht, als eine Paliettenfledermaus zu finden, aber über
das Töten hatte er nie nachgedacht. Er hatte noch nie etwas
getötet. Michael hatte seinen Vater zwar schon beim Hasenjagen
begleitet, aber dadurch, dass der alleine lebende Nachbar sie
mit Fleisch versorgte und die Großmutter im Gegenzug für
ihn kochte, war ihm das Jagen und damit verbundene
Töten bisher erspart geblieben.
„Das
solltest du dir aber
überlegen“, hörte er die Stimme und Michael wurden bewusst,
dass er sie mehr in seinem Kopf hörte als durch die Ohren. Auch
sah er, dass der Mund der Fledermaus sich nicht bewegte.
„Das kann doch alles nicht wahr sein“, dachte er und die Stimme
erwiderte: „Doch Michael, das ist wahr. Ich sitze hier
vor dir und
Du bist ein Mensch, der einen Wunsch hat. Ich kenne
die
Menschen. Sie sind egoistisch und denken nur an ihr
eigenes
Leid. Sie sehen nicht das große Ganze. Die Menschen sehen ihre
eigenen Sorgen als die einzigen, die zählen. Es ist egal, wie
klein oder groß das Leid ist. Jeder hat die angeblich größten
Sorgen, welche ihre Gedanken besetzen. Viele meiner Brüder und
Schwestern mussten sterben. Viele aus Gründen, die für
Wesen wie mich unverständlich erscheinen. Frauen hatten den
Wunsch, schöner zu sein, Männer haben sich mehr Stärke oder
Macht gewünscht und Kriegen, die sinnlos waren, wurden der
Sieg gewünscht. Dafür mussten meinesgleichen sterben,
weil Ihr Menschen herausgefunden habt, dass durch unseren Tod
eure Wünsche erfüllt werden.
Jeder Mensch denkt nur an sich,
niemals an andere und jetzt sitze ich hier vor dir und frage
dich, wie Du dir deinen Wunsch erfüllen willst. Den Wusch, dass
deine Mutter nicht sterben muss. Ich spüre, der Tod
steht schon
vor der Tür. Du hast nicht mehr viel Zeit. Also denke schnell.
“
Die Fledermaus redete ruhig und bedacht, dennoch
hörte
Michael die Bitterkeit in ihrer Stimme. Er sah die
Fledermaus
an und dachte nach. Er dachte an verschiedene
Möglichkeiten,
wie er dem Tier das Leben nehmen könnte und
verwarf sie
alle im selben Augenblick wieder. Er saß wie
versteinert
auf seinem Bett und war so hilflos wie nie zuvor. In
ihm klangen
die Worte der Fledermaus: „Menschen sind
egoistisch
und denken nur an ihr eigenes Leid.“
„Ich denke
nicht nur an mein Leid“, schrie es plötzlich aus ihm
hinaus. „Ich
denke an meine Großmutter und an meine
Geschwister.
Was soll aus uns werden, wenn meine Mutter nicht mehr bei uns
ist? Ich habe solche Angst. Ich liebe sie so sehr.
Ich dachte
ich würde alles für sie tun und jetzt weiß ich gar
nichts
mehr.“ Michael fühlte sich hin und her gerissen. Abermals
stiegen die
Tränen in seine Augen. Er fühlte sich als Versager.
Als
Nichtsnutz. Er konnte jetzt seiner Mutter das Leben
schenken und
doch konnte er es nicht. Die Paillettenfledermaus blickte
stumm auf den Jungen hinab, der so sehr mit sich selber
kämpfte, und
sagte nach einiger Zeit: „Erzähl mir von ihr, erzähl
mir alles,
woran du dich erinnerst.“ Michael sammelte sich und
fing dann an
zu erzählen. Er sprach von früher, als seine Mutter
ihm auf
ihrem Schoss Geschichten von weiten Ländern erzählte.
Wie sie ihn
früh lehrte zu lesen und zu schreiben und wie sie
Michael und
seinen Geschwistern Heilsalbe auf die Knie und
Ellenbogen
schmierte, wenn sie sich beim Toben verletzten und
wie sie
ihnen die Stirn küsste, wenn sie Kopfschmerzen hatten.
Er beschrieb
der Fledermaus die Lieder, die seine Mutter sang,
für jede
Stimmung hatte sie welche in ihrem Kopf und davon,
dass sie nie
schimpfte. Seine Mutter hatte tatsächlich niemals
geklagt oder
geschimpft. Ganz egal, was er, Annika, Peter oder
Arndt
angestellt hatten. Als der Vater gestorben war, hatte sie
die drei
Kinder mit ihrer Liebe aufgefangen und dafür gesorgt,
dass es
ihnen weiterhin gut ging, ohne sich zu beklagen.
Michael
erzählte viele Stunden lang. Er sprach, und die
Paillettenfledermaus
unterbrach
ihn kein einziges Mal. Sie saß
auf dem
Schrank und hörte Michael stumm zu. Sie beobachtete,
wie er dort
im Kerzenschein auf seinem Bett saß und mal lachte
und dann
wieder weinte, während er die verschiedenen
Erinnerungen
wiedergab, die er an seine Mutter hatte. Als
Michael
fertig war, war es weit nach Mitternacht. Er blickte
hinauf zu
der Fledermaus und sah ihr in die großen Augen. „Ich habe nichts
Wichtigeres als sie in meinem Leben. Verstehst du das?“ Die
Fledermaus nickte. Michaels Miene versteinerte sich.
Seine Stimme
wurde noch leiser und stockend brach es aus ihm
heraus:
„Trotzdem kann ich dir nichts antun. Ich habe kein Recht
dazu, ein
Leben gegen ein anderes einzutauschen. Ich weiß,
dass ich
dich gehen lassen muss und ich weiß auch, dass ich
mich den
Rest meines Lebens dafür hassen werde. Aber noch
mehr würde
ich mich hassen, wenn ich so egoistisch wäre, wie
die
Menschen, die du mir beschrieben hast. Kein Mensch auf der
Welt, hat
das Recht, über andere Lebewesen zu bestimmen.
Erst recht
nicht über dessen Tod, nur um sein eigenes Leid zu
mindern.“
Michael schwieg nun und die
Paillettenfledermaus
runzelte
ihre kleine Stirn, spreizte erneut die Flügel und
schwebte
hinunter in Michaels Hand. Jetzt funkelte sie mehr als
zuvor und
ihre großen Augen sahen Michael verwundert an. „Du
bist ein
sehr schlauer junger Mann, Michael“, sprach sie, „Das
Schicksal
hat für jeden Mensch seinen Weg vorgeschrieben. So hart und so
bitter manche Pläne des Schicksals sind, es hat
immer einen
Grund. Meistens versteht man den Grund erst sehr
viel später,
manchmal vielleicht auch gar nicht. Aber trotzdem
kann man dem
Schicksal nicht ausweichen.“ Michael nickte und
sagte unter
Tränen:“ Ich werde lernen mein Schicksal
anzunehmen.
Er erhob sich vorsichtig vom Bett. Mit der
Fledermaus
in der Hand ging er hinüber zum Fenster und
öffnete es.
Der kalte Wind der sternenklaren Nacht zog in das
Zimmer und
löschte die Kerze, die noch immer auf dem
Schreibtisch
brannte. Es war ihm egal. Das Leuchten der
Fledermaus
erhellte den Raum soweit, dass er sie ansehen
konnte.
„Flieg schnell weg, flieg zu den anderen und lass dich
nicht
fangen“, sagte er und die
Paillettenfledermaus nickte
kaum
merklich und erhob sich leicht flügelschlagend sanft von
Michaels
Hand. Ohne ein weiteres Wort verschwand sie in die
Nacht und
Michael sah ihr mit Tränen in den Augen hinterher.
Ihm war, als
würde er innerlich zerbrechen. Er sackte zu Boden
und saß
rücklings unter dem offenen Fenster in dem nun
rabenschwarzen
Raum. Er weinte jetzt alle Tränen der Welt,
denn er
hatte das Schicksal seiner Mutter soeben besiegelt.
Plötzlich,
von einem Moment auf den Anderen, erhellte sich die
Dunkelheit
und Michael blickte auf, erhob sich und sah aus dem
Fenster. Am
Nachthimmel kam etwas leuchtend Helles auf das
Haus zu und
nährte sich seinem Fenster. Nach wenigen
Sekunden,
konnte er erkennen was es war. Es waren alle acht
verbliebenen
Paillettenfledermäuse
und eine
einzelne führte sie
an. Sie
flogen alle in sein Zimmer, das in diesem Moment in
Gold und
Silber erstrahlte. Michael hörte acht zeitgleich
sprechende
Stimmen und sie sagten wie eine: „Michael, du bist
seit
Jahrhunderten der erste Mensch, der keine von uns aus
Egoismus,
Habgier oder Eitelkeit das Leben genommen hat. Wir
hatten den
Glauben an das Gute in den Menschen fast verloren,
doch du hast
uns gezeigt, dass Menschen verstehen können,
dass nicht
sie an erster Stelle stehen. Du hast bewiesen, dass
auch ihr
Menschen sehen könnt, dass jedes Lebewesen das
Recht hat zu
leben und glücklich zu sein. Wenn nur ein Mensch
es schafft,
seine Gedanken zu ändern, dann hat er die
Möglichkeit
die ganze Welt zu ändern und somit das Schicksal
aller
Lebewesen. Deshalb haben wir uns entschlossen, heute
Nacht dein
Schicksal zu wenden. Wenn alle verbleibenden
Paillettenfledermäuse
in der Heiligen Nacht zusammen finden
und sich
alle dazu entschließen ein Wunder zu vollbringen, dann
wird dieses
Wunder geschehen. Du hast uns mit deinem
Großmut das
Recht dazu gegeben. Bringe uns nun zu deiner
Mutter.“
Michael
liefen die Tränen der Dankbarkeit aus dem Gesicht und
er rannte so
schnell wie noch nie zur Tür, über den Flur in das
Zimmer
seiner Mutter. Die
Paillettenfledermäuse
flogen wie
ein
leuchtender
Ball hinterher und sammelten sich im Kreis über
dem Bett, wo
Michaels Mutter, blass und schwer atmend,
schlief. Es
erklang ein leises Summen und die Fledermäuse
hoben und
senkten sich im Kreis. Glitzerstaub rieselte von den
kleinen
Körpern auf seine Mutter herab und Michael
beobachtete
mit pochendem Herzen, wie sich das bis eben
noch vor
Schmerz verzerrte Gesicht seiner Mutter entspannte
und sie
leichter atmete. Kurz darauf verstummte das Geräusch
und Michael
öffnete instinktiv das Fenster. Die Fledermäuse
flogen
hinaus, nur seine
Paillettenfledermaus
setzte sich
noch
einmal in
Michaels Hand und sagte: „Wir beide werden uns nicht
wiedersehen,
jedoch wenn der Egoismus der Menschen sich in
Grenzen hält
und mehr Menschen lernen, so wie Du zu denken,
dann werde
ich noch da sein, wenn deine Enkel längst
gestorben
sind. Ich werde nie vergessen, dass es einen
Menschen
gab, der uns
Paillettenfledermäusen gezeigt
hat,
dass
Menschen voller Liebe sein können. Liebe zu sich, zu
anderen - und
ihr eigenes Leid nicht immer über das Leid der
anderer
stellend. Dafür danke ich dir.“ Das waren die letzten
Worte, die
Michael von der funkelnden
Paillettenfledermaus
hörte, bevor
sie davon flog und in der Nacht verschwand. Noch
niemals in
seinem Leben hat Michael so eine tiefe Dankbarkeit
für jemanden
empfunden. Er ging hinüber zu dem Bett seiner
Mutter.
Michael streichelte ihr über das Haar und legte sich
neben sie.
Er schlief sofort ein.
Michael
wurde am nächsten Morgen durch lautes Poltern auf der Treppe
geweckt. Er setzte sich erschrocken auf und schon in diesem
Moment standen Annika, Arndt und Peter in der Tür zum Schlafzimmer
seiner Mutter. „Komm schnell mit runter“, rief Annika und
zog in an seiner Hand aus dem Bett, geradewegs die Treppe
hinunter ins Wohnzimmer. Was Michael dort sah, ließ ihn die
Trauer, das Leid und die Sorgen der letzten Wochen in dieser
Sekunde vergessen. In der Mitte des Raumes stand der schönste
Weihnachtsbaum, den er jemals gesehen hatte, doch der war
nichts gegen die Schönheit des Gesangs, der von seiner Mutter kam,
die soeben begann den Baum zu schmücken. Als
sie ihn sah,
kam sie mit offenen Armen auf ihn zu, drückte
Michael
voller Liebe an sich, küsste ihm auf die Stirn und
flüsterte dann
mit sanfter Stimme: „Danke Michael, danke für
dieses
Wunder und Frohe Weihnachten.“
Ende